Hier der Versuch einer Erklärung.
Die Wertschöpfungskette im Unternehmen
Als Manager eines mittelständigen Unternehmens (1) denke ich regelmäßig darüber nach, ob die Wertschöpfungskette meiner Abteilung optimal auf die Ziele unseres Unternehmens und unserer Kunden ausgerichtet ist:
- Was sind meine Kernkompetenzen?
- Was mache ich zwingend selbst?
- Was vergebe ich an externe Dienstleister?
- Was sind unmittelbar wertschöpfende Aufgaben (also Handgriffe/Abläufe, die mein Produkt unmittelbar und ohne weiteren Zwischenschritt entstehen lassen)?
- Was sind indirekte, also eher Wert stützende Aufgaben (ohne diese Leistung kann ich mein Produkt nicht herstellen)?
- Worauf kann ich verzichten bzw. was ist Verschwendung?
- Wie setze ich alle Aufgaben angemessen zusammen, so dass am Ende das entsteht was erwartet wird (Zielerreichung)?
Nur wenn ich diese Fragen ausgewogen beantworte (insbesondere die Frage nach der Kernkompetenz und den unmittelbar wertschöpfenden Aufgaben) und entsprechend umgesetzt habe, erreiche ich
- eine hohe Identifizierung meiner Mitarbeiter mit unseren Produkten und mit den Zielen des Unternehmens,
- eine hohe persönliche Zufriedenheit meiner Mitarbeiter,
- ein gut arbeitendes (echtes) Team,
- eine entsprechend gut ausgeprägte Motivation und damit Arbeitsleistung meiner Mitarbeiter und
- eine hohe Sichtbarkeit als Kompetenz-Partner gegenüber unseren Kunden und damit auch als Unternehmen am Markt.
Schaffe ich das nicht (also wertschöpfend zu arbeiten), habe ich
- demotivierte Mitarbeiter,
- eine hohe Fluktuation,
- einen hohen Krankenstand,
- arbeite als Abteilung eher unproduktiv und erreiche die Ziele vermutlich nicht oder nur mit erheblichen Reibungsverlusten und
- verliere ggf. Kunden durch schlechte/teure Produkte
(1) Bis 2014 war ich Entwicklungsleiter für nautische Navigationssysteme der kommerziellen Schifffahrt
Die Wertschöpfungskette meines Lebens
Wie sieht nun die Wertschöpfungskette bezogen auf die Ziele meines eigenen Lebens aus
(bei vergleichbarer Fragestellung, s.o.)?
Eine kleine Aufgabe:
- Definiere das Ziel in Deinem Leben. Wenn es Dir schwer fällt genau ein Ziel zu definieren (sollte Dir evtl. zu denken geben ;-), definiere Ziele für die einzelnen Abschnitte Deines Lebens,
jedoch nicht mehr als 3 Ziele/Abschnitte. - Zähle nun Tätigkeiten auf, die unmittelbar mit dem Ziel Deines Lebens zu tun haben,
Dich also direkt und ohne Umwege einen Schritt dort hinführen.
Hinweis zu „unmittelbar“: Du tust etwas (körperlich und/oder geistig) und das Ergebnis ist unmittelbar zur Erreichung bzw. als Teil Deines Ziels erforderlich.
Positiv-Beispiel „unmittelbar“: Du backst ein Brot und kannst es essen, Du malst ein Bild und erfreust Dich daran bzw. kannst es verkaufen,
Negativbeispiel „mittelbar“: Du gehst arbeiten, verdienst dort Geld, welches Du brauchst um ein Brot zu kaufen. Du nimmst Dein verdientes Geld und kaufst damit ein Bild.
Vorsicht mit diesen Beispielen, sie können bei bestimmten Zielen eher genau das Gegenteil sein.
Allgemein gesprochen stelle ich fest – und das gilt nach meiner Wahrnehmung für alle sozialen Schichten und individuellen Ziele – dass nach und nach die allergrößten Teile der Wertschöpfungskette an Dienstleister vergeben werden und das in deutlich zunehmenden Maße.
Ein paar Beispiele gefällig?
Selber am Auto/Fahrrad basteln | macht jetzt die Werkstatt |
Lebensmittel selbst herstellen | Es wird alles fertig produziert gekauft |
Selber kochen | Essen gehen, Fertiggerichte kaufen, Pizza bestellen |
Selber Einkaufen | Lebensmittel/Dinge liefern lassen |
Gartenpflege | macht jetzt eine Firma |
Um die Eltern kümmern | Soziale Dienste, Pflegeheim |
Kindern bei der Schule helfen | Nachhilfeunterricht bezahlen |
Probleme lösen | Rechtsanwalt, Versicherung bezahlen und beschäftigen |
Möbel wieder herrichten | wegschmeißen und neu kaufen |
Zu Hause Frühstücken | Coffee to go und belegtes Brötchen beim Bäcker |
Natürlich sind die Beispiele recht individuell. Nicht jeder kann z.B. das Fahrrad reparieren, dafür aber andere Dinge besser tun (die hier evtl. nicht aufgeführt sind).
„Erstaunlicher Weise“ muss das alles zusätzlich bezahlt werden. Also muss entweder mehr gearbeitet, ein besser bezahlter Job angenommen und /oder evtl. noch ein Neben-/Zweitjob angenommen werden.
Natürlich bin ich jetzt zum Feierabend noch mehr geschafft als vorher.
Ich brauche also mehr Erholung – bedeutet:
Urlaub selbst organisieren | All In/Komplett Urlaub buchen |
Freizeit, Bewegung, Sport | Chiropraktiker, Krankengymnastik |
Zeit für Familie/Kinder | Kinder/Familie werden zur „Belustigung“ schickt |
Abends unterwegs sein/Freunde treffen | Groggy, daher größeren TV kaufen und benutzen |
Zeit für eigene Gedanken/Ausgleich | Psychosomatische Krankheiten und Therapie |
Und auch das kostet natürlich wieder mehr Geld!
Jetzt kommt ein weiteres problematisches Phänomen hinzu:
die Eigenschaft des Menschen, sich am liebsten anzupassen.
Nur – woran passen wir uns tatsächlich an?
Dabei spielen alle Sinne des Menschen eine Rolle, was natürlich auch die Werbung erkannt hat. Auch wenn die allermeisten von uns behaupten werden, sich von der Werbung nicht beeinflussen zu lassen, ist es doch umso erstaunlicher, dass die Werbebranche boomt und immer kreativer wird. Ohne entsprechenden Erfolg würde das nicht passieren – wir lassen uns also reichlich beeinflussen.
Wir passen uns also nicht nur an unsere unmittelbare und erlebbare Umwelt an (praktisches und soziales Umfeldes, z.B. „nichts lässt mein eigenes Auto schneller altern, als das neue Auto meines Nachbarn“), sondern auch an die Glaubenssätze der Werbung und der Medien an.
Beispiele gefällig?
Visa Card | Genieße die Freiheit |
Congstar | Du willst es – Du bekommst es |
Der Anteil an „Produkten“, die unser Leben vereinfachen, uns mehr Freiheiten geben sollen, nimmt rapide zu. Und damit sind wir wieder bei der Wertschöpfungskette. Wir werden aufgefordert oder zumindest deutlich angeregt, immer mehr Aufgaben und Abschnitte unserer Wertschöpfungskette aus der Hand zu geben.
Unterm Strich geben wir unser Leben nach und nach in die Hände Anderer. Im Ergebnis nimmt die Anzahl unmittelbar wertschöpfender Aufgaben rapide ab. Der Anteil indirekt wertschöpfender Aufgaben und auch der Anteil von Verschwendung (kein Bezug zum Ziel) nimmt deutlich zu.
Zugegeben, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ist ein tolles Gefühl der Freiheit und Sorglosigkeit – oder?
- Ist dieses Gefühl nachhaltig genug?
- Verändert es möglichweise auf subversive Art und Weise die
selbst gesteckten Ziele meines Lebens? - Gibt es noch genügend unmittelbar wertschöpfend Aufgaben in meinem Leben, über die ich mich identifiziere, die mich glücklich machen, die mich motivieren meine Ziele zu erreichen?
Hier die Gegenüberstellung der Wertschöpfungskette im Unternehmen (s.o.) und die Deines Lebens.
Beantworte in der rechten Spalte die Fragen für Deine Wertschöpfungskette.
Die Wertschöpfungskette im Unternehmen |
Die Wertschöpfungskette meines Lebens Trage hier Deine Antworten ein |
Was sind meine Kernkompetenzen? | ? |
Was mache ich zwingend selbst? | ? |
Was vergebe ich an externe Dienstleister? | ? |
Was sind direkte wertschöpfende Aufgaben? | ? |
Was sind indirekte, also eher Wert-stützende Aufgaben? | ? |
Worauf kann ich verzichten bzw. was ist Verschwendung? | ? |
Wie setze ich alle Aufgaben angemessen zusammen, so dass am Ende das entsteht was erwartet wird (Zielerreichung)? | ? |
Eine optimale Wertschöpfungskette führt im Unternehmen zu deutlich positiven Aspekten (s.o.). In der rechten Spalte habe ich im übertragenen Sinne vergleichbare positive Aspekte in Deinem Leben aufgeführt.
Auswirkungen einer optimalen Wertschöpfungskette auf das Unternehmen | Auswirkungen einer optimalen Wertschöpfungskette auf mein Leben Trifft dies für Dich zu? |
Eine hohe Identifizierung meiner Mitarbeiter mit unseren Produkten und mit den Zielen des Unternehmens | Ich habe „meine innere Mitte“ gefunden, „ich ruhe in mir“ |
Eine hohe persönliche Zufriedenheit meiner Mitarbeiter | Ich bin mit dem Was ich mache einverstanden und spüre eine andauernde Zufriedenheit |
Ein gut arbeitendes (echtes) Team | Ich habe ein angenehmes soziales Umfeld, fühle mich darin wohl und aufgehoben. |
Eine entsprechend gut ausgeprägte Motivation und damit Arbeitsleistung meiner Mitarbeiter | Ich weiß immer was zu tun ist, verfolge meine Ziele entspannt und konsequent |
Eine hohe Sichtbarkeit als Kompetenz-Partner gegenüber unseren Kunden und damit auch als Unternehmen am Markt | Ich werde als Person wahrgenommen und mir wird eine entsprechende Wertschätzung entgegengebracht |
Mache Dir Gedanken zu den positiven Aspekten Deines Lebens. In wie weit treffen diese auf Dich zu?
Jetzt höre ich erst einmal auf zu schreiben.
Vielleicht fühlst Du Dich angesprochen und denkst weiter über das Thema nach. Konntest Du die Fragen beantworten und ein Gefühl dafür entwickeln, ob und in welchem Maße die positiven Aspekte des Lebens für Dich zutreffen, in welchen Punkten evtl. weniger oder gar nicht?
Die Fortsetzung dieses Artikels ist in Arbeit und erscheint in hoffentlich absehbarer Zeit an dieser Stelle.
Inhalt grob: Was bewirkt eine ungenügende Wertschöpfungskette bei mir? Will und kann ich das wieder verbessern und wenn ja, wie?
Viele Grüße Michael Nogalski
Vielen Dank für den hilfreichen Artikel! Sehr cooler
Tipp.